Aufs Liegerad – erste Erfahrungen nach dem Umstieg

Liegen ist es nicht, sitzen – fast wie im PKW – stimmt eher. Auf breiter Fläche niederlassen, dann bequem anlehnen, und gleich stellt sich ein entspanntes Gefühl schon auf dem stehenden Liegerad ein. Wenn da nicht das Losfahren wäre Zwei Wochen habe ich gebraucht, um das ungewohnte „In-Bewegung-Bringen“ meines neuen Liegerades sicher und einigermaßen elegant hinzubekommen. Jetzt, 900 km später, geht das Anfahren genauso gut, wie auf dem Normalrad. Das aber wird immer trauriger, weil das Liegerad immer vorgezogen wird. Liegeradfahren macht süchtig.

Bild: KhPape CC BY

Ja, 21 kg ist viel für ein Fahrrad mit Muskelantrieb. Und 2.10 m Länge auch. Wohl auch das macht aber das Gefühl aus, ein edles Schiff zu steuern, mitten im Fluss der blechernden Dickschiffe auf der Straße. Meine Sitzposition ist ebenbürtig: Ich begegne Autofahrern im wörtlichen Sinne auf Augenhöhe. Nur darf ich das elegante schmale Cabrio fahren, auch im Winter. Durch die Sitzhöhen-Einstellung ist die Sichtbarkeit im Verkehr auch weniger problematisch als bei den flachen Liegerädern. Mein Sitz ist so hoch einstellbar, dass die Füße beim Absteigen 10 cm über dem Boden hängen, höher als bei jedem Normalrad. Diese Position ist aber nicht alltagstauglich, weil das Absteigen dann nur übers seitliche Fallenlassen geht.

Was ist anders beim Liegeradfahren?

Auf dem Normalrad gibt es zwei Möglichkeiten die Balance zu halten: Durch das Verlagern des Körpergewichtes (macht man ganz unwillkürlich), und durch das Lenken. Körpergewicht verlagern geht beim Liegerad nicht, der Rücken bleibt immer an der Lehne. Also hilft nur noch das Lenken zum Balance halten. An dieses feinfühlige Austarieren muss man sich erst gewöhnen. Am Lenker fest ziehen geht gar nicht. Was ja ganz üblich ist auf dem Normalrad, z.B. beim Anfahren. Beim Liegerad liegen die Hände nur auf dem Lenker, um kleine Balance-Korrekturen intuitiv ganz ohne Kraftaufwand hinzubekommen. Ich musste das erst üben: Das Liegerad im Sitzen mit den Beinen wie ein Roller anschubsen und dabei mit nur aufgelegten Händen geradeaus fahren, das hat mir geholfen, ein Gefühl für das Lenken ohne jede Kraftanstrengung zu schaffen.

Das Pedalieren ist am Anfang ungewohnt. In der etwa waagerechten Bein-Lage werden offenbar einige Muskeln neu oder anders beansprucht. Die brauchen nur ein wenig Fahrtraining. Kleine Gänge und hohe Trittfrequenz helfen zusätzlich. Man merkt aber schnell, dass es vorteilhaft ist, nicht nur seineigenes Gewicht für die Pedalkraft einzusetzen (Normalrad): Das Druck-Aufbauen gegen die Rückenlehne fühlt sich bald sehr natürlich und viel kräftiger an.

Das fast aufrechte Sitzen – so aufrecht, wie in einem Autositz – ist sehr viel bequemer als auf jedem Normalrad, bei dem man ja den Kopf dauernd mehr oder weniger in den Nacken legen muss, um nach vorn zu schauen. Anders beim Liegerad: Bei entspannter aufrechter Kopfhaltung kann man die Gegend in Ruhe beim Vorbeifahren betrachten. Auch Arme und Hände brauchen keine Last aufnehmen. Die hängen bei mir locker auf den Lenker runter. Und gerade jetzt im Winter ist die gepolsterte Rückenlehne vergleichbar mit einem geheizten PKW-Sitz. Der Rücken bleibt auch bei tiefen Temperaturen angenehm warm. (Im Sommer entfernt man das Polster dann besser).

Sicherheit / Sichtbarkeit auf dem Liegerad

Schon das Queren einer Straße ist ungewohnt. Gefühlt lange bevor ich die Straße rechts und links einsehen kann, sind meine Füße und die Front meines Rades schon in der Gefahrenzone. Ja, ich schiebe ein wenig mehr vor mir her. Aber ganz so viel mehr als beim Normalrad ist es dann auch wieder nicht. Das erhöht nur die Wachsamkeit, was ja gut ist.

Der höchste Punkt ist auch beim Liegerad mein Kopf. Und der fährt auf Höhe der Autofahrer mit, schaut also kaum über die PKW hinweg. Ich mache mir da schon Gedanken, meine Sichtbarkeit zu erhöhen. Deshalb leuchtet es vorn und hinten auch am Tag bei mir. Helle LED-Beleuchtung und einen leichtlaufenden Nabendynamo habe ich mir dafür angebaut. Zusätzlich blinkt mein Helm hinten mit roten LED. Mein höchster Punkt macht also schon von weitem auf mich aufmerksam.

Gefährliche Stürze habe ich auf dem Liegerad glücklicherweise noch nicht erlebt. Es kommt mir aber weniger gefährlich vor, hier vom Rad unfreiwillig abzusteigen. Mein Schwerpunkt liegt tiefer. Ob es tatsächlich harmloser ist, möchte ich lieber nicht ausprobieren.

Bild: KhPape CC BY

Bergfahrten und Reisegeschwindigkeit

Um es vorweg zu sagen: Schneller fühlt sich das Liegeradfahren nicht an. Nun mag es an meinem Rad liegen, oder an der einladenden Gemütlichkeit in der angenehmen Sitzposition lautlos durch Stadt und Land zu gleiten. Mein Tacho zeigt jedenfalls keine auffällig höheren Geschwindigkeiten als auf dem Normalrad an. Und dass, obwohl der Windwiderstand ja geringer sein müsste. Dafür ist das Rad auch schwerer, was sich aber beim Bergabfahren wieder auszahlen müsste.

Meine Trainingsstrecke liegt in der fränkischen Schweiz: Bergauf geht es auch auf dem Tacho etwas langsamer. Dafür ist es irgendwie weniger anstrengend. Die Kraftentfaltung gegen die Rückenlehne scheint effizienter zu wirken. Das hatte ich nicht erwartet. So sind auch große Touren mit dem Liegerad kein Problem. „Genuss-Radeln“, so könnte man das Liegerad-Fahren auch bezeichnen. Mich jedenfalls hat es überzeugt.

2 Gedanken zu „Aufs Liegerad – erste Erfahrungen nach dem Umstieg“

  1. Interessant, dass beim Liegerad die Lenkung ohne größeren Kraftaufwand erfolgt. Ich würde es wahnsinnig gerne auch mal ausprobieren. Denn von Freunden weiß ich, dass sie es sehr entspannend finden. Vielleicht werde ich mir bald mal ein Liegerad kaufen.

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