Der Beginn einer Familien-Recherche

Meine Großeltern väterlicherseits sind schon lange tot. Als Kind habe ich sie nur als Rentner erlebt. Von ihrem Leben davor möchten meine Geschwister und ich gern mehr erfahren. Schließlich haben sie zwei Weltkriege überlebt, mit wirtschaftlich schweren Zeiten dazwischen. Die formellen Lebensdaten (Geburt, Hochzeit, Tod) sind bekannt – und ein bisher nicht gesichteter Fundus alter Unterlagen.

Fotos, lose und in Fotoalben sortiert, Zeugnisse, amtliche Schreiben, und gut verwahrte Postkarten geben uns hoffentlich ein paar Hinweise auf Ereignisse in ihrem Leben. Aber die Menge an Material macht es nicht einfach, einen Eindruck vom tatsächlichen Leben der beiden zu gewinnen. In einem Podcast zu Familiengeschichten habe ich den Tipp bekommen, mit den Fotos zu beginnen. Fotos geben meist die wichtigen Familienereignisse wieder. Leider sind die meisten Fotos nicht beschriftet. Wer darauf abgebildet ist, ist unklar.

Postkarten sind Bilder mit Texten

Aber da sind ja noch die Postkarten. Vielleicht geben uns ja die Texte Hinweise. Die sind aber oft sehr schwer zu entziffern. Glücklicherweise gibt es KI-Systeme, die einem beim Entziffern heute helfen. Transkribus hilft da ganz gut. Bei den Postkarten sind gliücklicherweise etliche persönliche Fotos, die mit einem Text verschickt wurden. Ein Beispiel, dass man heute wieder aufleben lassen sollte. Zumal es heute ganz sicher viel einfacher als vor 100 Jahren ist, ein Papierfoto zu erhalten.

Marie schickt ihrer Schwester ein Bild von sich

Am 20.121912 schreibt Marie an

Frl. Anna Hille
per. Adr. Herrn Tscheppe
Naumburg a/Bober
Krs. Sagan

Liebe Schwester! Ich gratuliere dir herzlich zum Geburtstage u. sende dir ein Bild von mir. Ich wundere mich sehr das du gar nichts von dir hören läßt, bist du krank? Wie geht es Herrn Tscheppe, ist er wieder munter?Ich bin so unruhig, daß du mir garnicht schreibst. Ich sende dir deshalb die Karte im voraus. Laß bald was hören von dir. Grüße Herrn u. Frau Tsch. aus Laubes (u. fünfen u ?). Sei du vielmals gegrüßt von dem Onkel.
Schwester Marie

Postkarte 1912 von Marie an Anna Hille
Marie Hille auf der Vorderseite der Postkarte

Über diese Postkarte haben wir erfahren, dass unsere Oma Anna eine Schwester Marie hatte. Das Jahr 1912 zeigt der Poststempel. Anna Hille wurde wenige Tage danach 20 Jahre alt. Das Alter ihrer Schwester ist auf dem Bild schwer zu schätzen, aber um die 20 war sie wohl auch.

Das Bild entstand vermutlich bei einem Fotografen, so wie es arrangiert ist. Welch ein Glück für uns, dass sie ein Bild von sich als Postkarte verwendete!

Max macht ein Bild für seinen Bruder Paul

Berlin, d. 16.4.1908: Lieber Paul, diese Karte ist eine von mir gemachte Blitzlichtaufnahme am Sonntag d. 12. d. Mts., dem Vorabend der silbernen Hochzeit. Vater und Mutter als Silber-Brautleute. Vor dem Blumentopf steht Dein Bild, leider nicht zu erkennen. Brief folgt morgen.
Viele Grüße Max

Diese Karte ging an

Herrn Paul Pape
p. Adr. Herrn Hauptmann Bockelberg
Gumbinnen Ostpr.
Brauereistr. 25 II

1908 schreibt Max an seinen Bruder Paul
Die Eltern Anton und Marie Pape in der Mitte vor ihrer silbernen Hochzeit.

Max schreibt ja, das er dieses Blitzlichtbild selbst gemacht hat. Es ist am 12. April 1908 entstanden. Neben den Eltern sitzen 3 ihrer Kinder – ist zu vermuten. Paul kann nicht zu Hause sein, er leistet zu der Zeit seinen Wehrdienst ab. Wir wissen bisher nur von 2 Geschwistern von unserem Opa Paul. Wenn das auf dem Bild die Familie ist, dann gibt es einen weiteren Bruder. Max war zu dem Zeitpunkt 24 Jahre alt, der uns bekannt Bruder Arthur erst 18 Jahre. Und der nicht anwesende Paul war damals 22 Jahre alt.

Aus den bisher bekannten Dokumenten wissen wir, dass der Vater Anton Pape in Berlin als „Gas-Laternenanzünder“ geführt wurde. Wenn der Sohn Max dieses Foto selbst gemacht hat, dann war das sicher auch in der häuslichen Wohnung. Das Zimmer wirkt eher wie in einem vornehmen Haushalt.

Ein Amateurfoto als Postkarte

Wenn Max das Bild 1908 als Blitzlichtbild selbst gemacht hat, dann musste er eine Kamera zur Verfügung gehabt haben. Das Fotografieren war zu der Zeit noch eine aufwändige Angelegenheit. Üblich waren noch Großformatkameras, mit für jedes Foto präparierten Glasplatten, die etwa 10 x 13 cm groß waren. Die belichtete Glasplatte musste dann in der Dunkelkammer entwickelt werden. Das erforderte Übung und Geschick.

Die erste handliche Box-Kamera mit Rollfilm, die Bronwnie Nr. 2 wurde 1901 von Eastman Kodak im Amerika eingeführt. Ob Max die 1908 schon hatte, ist eher unwahrscheulich. Aber vielleicht musste die Familie damals ja auch gar keine Kamera besitzen: Weil das Fotogrfieren so teuer und aufwändig war, haben sich zu der Zeit „Vereine gegründet, um gemeinsam Ausstattung zu benützen und verleihen zu können.“

Bild: Plattenkamera, CC BY-NC-SA @ LWL-Freilichtmuseum Hagen,

„Blitzlicht“ war damals knapp eine Sekunde lang. Es entstand durch Abbrennen von „Blitzpulver“. Magnesiumpulver wurde entzündet, der Rauch verteilte sich danach im Wohnzimmer. Hier werden damalige „Blitzgeräte“ beschrieben.

Ein spannender Start der Familien-Recherche

Es kostet Zeit, ist aber interessant und spannend, sich mit den eigenen Vorfahren näher zu beschäftigen. Das war ja wirklich eine ganz andere Welt mit ganz anderen Herausforderungen. Bin gespannt, was wir noch alles entdecken werden.

2 Gedanken zu „Der Beginn einer Familien-Recherche“

  1. Lieber Herr Pape,

    Ich bin per Zufall auf Ihren Blog gestoßen. Die Ausführungen über Ihre Familiengeschichte finde ich interessant und gut geschrieben. Ich recherchiere auch über meine Vorfahren und überlege, wie ich das Recherchierte festhalten und für andere zugänglich machen kann (Buch, Blog …). Ich zögere, damit an die Öffentlichkeit zu gehen (Internet). Diesbezüglich muss ich noch den für passenden Weg finden.
    Viel Erfolg und freundliche Grüße
    Bernd Honermeier

    1. Lieber Herr Honermeier,
      die Recherche wird ja eigentlich nie fertig. Da kommen stetig neue Informationen dazu. Wenn das Buch dann gedruckt ist, sind Ergänzungen oder Korrekturen nicht mehr möglich. Im Blog geht das alles jederzeit.
      Viele Grüße Karlheinz Pape

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