Während unseres Berlin-Besuches lud die Philharmonie auf Plakaten überall in der Stadt zum Tag der offenen Tür ein. Das ungewöhnliche Gebäude und der Haupt-Arbeitsort der weltberühmten Berliner Philharmoniker hatten für mich schon als Junge immer so eine unvergleichlich edle Ausstrahlung. Dabei sieht das Gebäude der 1963 eingeweihten Philharmonie des Architekten Hans Scharouns eigentlich nur ungewöhnlich und gar nicht so edel aus. Die Fassade des erst 1987 eröffneten Kammermusiksaals (das Gebäude daneben), strahlt viel mehr und goldener. Dabei ist die Fassadenverkleidung mit goldfarbig eloxierten Aluminium-Platten der „Philharmonie“ auch erst drei Jahre älter als die etwa gleichartige Verkleidung des „Kammermusiksaals“. Diese goldfarbene Verkleidung war im Plan von Hans Scharoun damals auch vorgesehen, nur wurde die aus Kostengründen beim Bau durch einen ockerfarbenen Betonanstrich ersetzt, wie auf Wikipedia nachzulesen ist. Dann muss der Anstrich damals wohl sehr gold-ähnlich ausgesehen haben: In meiner Erinnerung war die Philharmonie schon immer goldfarben. Vielleicht war es damals aber auch der Kontrast zur umliegenden Brachlandschaft direkt an der Grenze zu Ost-Berlin, die jedes neue Gebäude erstrahlen ließ.
Um den goldfarbenen geprägten Alu-Platten eine besondere Leuchtwirkung zu verleihen, hatte Hans Scharoun damals durchsichtige Kunststoffplatten darüber geplant. Bei der viel späteren Anbringung, etwa um 1980, wurden die Pläne des Architekten dann auch umgesetzt. Leider muss man heute sagen, weil die Abdeckungen inzwischen blind geworden sind und kaum noch etwas von der Leuchtkraft der Alu-Platten erkennen lassen, wie man an einer Ecke mit fehlender Plastik-Abdeckung erkennen kann. Der Kammermusiksaal und die gegenüberliegende Staatsbibliothek strahlen übrigens durch die unverkleideten Aluplatten.
Schon beim Betreten fällt die nirgends rechtwinklige Konstruktion der beiden Gebäude „Philharmonie“ und „Kammermusiksaal“ auf. Beim Tag der offenen Tür wurden tragende Säulen auch noch farbig beleuchtet, was den Blick noch mehr auf die ungewöhnliche Konstruktion lenkte. Obwohl verschiedentlich Instrumente in den Foyers gespielt wurden, gab es dort keinen Hall. Zwei offenbar akustisch optimierte Gebäude, nicht nur in den Konzertsälen. Man fühlt sich schon beim Reinkommen wohl, jedenfalls ging es mir so.
Eingänge gibt es mehrere. Der alte Philharmonie-Eingang an der Herbert-von-Karajan-Str. ist jetzt eher der Nebeneingang. Der Haupteingang ist heute auf die Potsdamerstraße in Richtung Potsdamer Platz gerichtet. Damals war es sinnvoll, sich in Richtung Westen zu öffnen, und die Konzertbesucher nach dem Konzert nicht in Richtung der Berliner Mauer zu entlassen. Heute pulsiert das Leben eher am Potsdamer Platz als auf der anderen Seite der Philharmonie.
Die Dachform der Philharmonie, wie eine hochschwappende Welle, ist das wohl auffälligste Gebäudemerkmal von außen. Eigenartigerweise hat die Hamburger Elbphilharmonie diese Wellenform übernommen. Die Philharmonie, die maßgeblich von Herbert von Karajan mitgeprägt wurde – weshalb die Berliner wegen Form und Dirigent den treffenden Begriff „Zirkus Karajani“ verwendeten – war damals der erste Konzertsaal, bei dem die Musiker mitten im Saal saßen, und das Publikum rundherum. Diese Idee nahmen danach auch weitere Konzertsaal-Bauten auf.
Die Philharmonie ist heute auch noch der einzige Konzertsaal, der ein komplettes Studio für Live-Übertragungen integriert hat. Chefdirigent Simon Rattle hat damit die Berliner Philharmoniker live in Kinos gebracht.