6. Schwester Immaculata tritt aus dem Orden aus

Die Entscheidung der jungen Martha mit 23 Jahren ins Kloster zu gehen, war damals auch ein wenig ein fliehen aus einem Lebensraum von Martha, der ihr wenig Anerkennung brachte. So hat sie das einmal beschrieben. Nun brachte das hierarchische Klosterleben ihr wohl auch nicht mehr Anerkennung. Wieder musste sie sich strengen Regeln anpassen. Und einen Austausch unter den Schwestern durfte es auch nur geben, wenn es unbedingt notwendig ist. Sonst hatte man zu schweigen, zu arbeiten und zu beten.

Irgendwann zwischendrin hatte sie der Oberin ihren Entschluss zu gehen mitgeteilt. Die konnte sich das für Schwester Immaculata gar nicht vorstellen, und wollte dafür beten, dass Martha Klarheit über ihren Entschluss bekommt. Klar wurde der Schwester Immaculata sehr schnell, dass sie ja gar nichts hat, und gar nichts kann. Sie könne das Kloster ja wirklich nicht verlassen. Sie blieb also weiter im Kloster.

Viele Jahre später war sie dann aber besser vorbereitet. Sie hatte eine abgeschlossene Ausbildung vorzuweisen und einen Plan als Familienpflegerin zu arbeiten. Eine Bescheinigung weist aus, dass sie am 19.9.1973 ein Examen als Familienpflegerin bestanden hat. Die Ausbildung dafür muss in der Klosterzeit gelegen haben.

 Am 28. April 1973 schreibt sie dem Heiligen Vater

„Demütig bittet seine Heiligkeit um Dispens in aller Ehrerbietung, seiner Heiligkeit Dienerin, Schwester M. Immaculata“

Sehr mutig begründet sie ihren Austrittswunsch: „Ich kann mich mit den Zielen und vor allem mit der Lebensweise dieser Kongregation nicht mehr identifizieren.“

Ein Beauftragter des Erzbischofs antwortet

„Die Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute hat mit Reskript vom 7. Juni d.J. Ihrer Bitte entsprochen: Sie hat Sie von den ewigen Gelübden dispensiert und Ihnen die Rückkehr in die Welt gestattet.“

In dem Schreiben vom 19. Juni 1973 teilt ihr der Bischöfliche Vikar des Erzbistums Köln mit, dass sie aus dem Ordensstand der katholischen Kirche für immer austritt, wenn sie dieses Schreiben annimmt. Die Generaloberin wird gebeten, ihr das Schreiben auszuhändigen und sich das quittieren zu lassen.

Martha Gutbier beginnt mit 46 Jahren ein neues Leben

Ohne Geld, ohne Wohnung, ohne Job und allein. So startete sie 1973 völlig neu. Sie zieht nach Aachen. Dort schließt sie einen Ausbildungsvertrag zur „Ableistung eines Berufspraktikums als Familienpflege-Praktikantin“ beim Diözesan Caritas-Verband für das Bistum Aachen. Dieses Praktikum dauert ein Jahr, vom 1.10.1973 bis zum 30.9.1974. Damit sie von irgendwas leben kann, wurde ihr ein Unterhaltszuschuß von etwa 800 DM monatlich für die Zeit des Praktikums bezahlt.

Ab dem 1. Oktober 1974 ist sie dann ganz offiziell angestellt beim Caritas-Verband für das Bistum Aachen als Familienpflegerin. Und das bis zu ihrer Pensionierung 1991. Der Job hat ihr viel Freude gemacht. Sie bekam von den Familien auch die Anerkennung, die ihr gut tat. Meist sprang sie ein, wenn Mütter ins Krankenhaus mussten und die Kinder zu versorgen waren. Sie lebte tagsüber in ganz verschiedenen Familien, kochte, machte den Haushalt und kümmerte sich um die Kinder. Einige der so Unterstützten waren auch Jahre danach noch Fans von ihr, wie sie berichtete.

Martha Gutbier Passbild 1974
Martha Gutbier 2009 in ihrer Wohnung in Aachen

Martha Gutbier ist – lange nach ihrer Pensionierung – am 28.2.2018 mit 91 Jahren in Aachen verstorben.

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