1705 in Erlangen: Ein Wasserturm entsteht für Wasserspiele im Schloßgarten

1705 war es erst wenige Jahre her, seit der Markgraf Christian Ernst aus Frankreich vertriebenen Hugenotten Erlangen als neue Heimat anbot. Erlangen hatte damals nur 500 Einwohner. Aber etwa 1500 Réfugiés siedelten sich dann hier an, und bekamen Grundstücke und Baumaterial für ihre Häuser vom Markgrafen. Der versprach sich wirtschaftlichen Aufschwung durch die als besonders fleißig geltenden calvinistischen Handwerker. Die eingesessenen Erlanger, denen diese Vorteile nicht gewährt wurden, waren da gar nicht glücklich drüber, wie man sich vorstellen kann.

Ich habe zwar noch keinen Beleg dafür gefunden, aber es ist anzunehmen, dass sich die Hugenotten beim Markgrafen mit dem Geschenk des Hugenottenbrunnens im Schlosspark bedanken wollten. Der aufwändig und schön gestaltete Brunnen brauchte aber Druckwasser für die hohen Fontänen. Und da Wasserleitungen unter Druck im Jahr 1705 überhaupt nicht „Stand der Technik“ waren, fing hier die unglaublich teure Geschichte des Wasserturms in der Wasserturmstraße und des Druckwerks bei der Thalermühle samt den nötigen Wasserleitungen an.

Hier ein Bild des Hugenottenbrunnens hinter dem Erlanger Schloß:

Bild: KhPape CC BY

Für den Wasserdruck sorgt der Wasserturm

Nicht weit, aber doch in gebührendem Abstand vom Schloss wurde im August 1705 mit dem Bau des Wasserturms begonnen. Mit 6 Stockwerken sollte er damals – nach der erst am 14.8.1706 abgebrannten Altstädter Kirche – der zweithöchste Turm der Stadt werden. „Der Turm musste so hoch sein, dass man noch aus dem Szepter des Markgrafen auf der Spitze des Hugenottenbrunnens einen Wasserstrahl springen lassen konnte.“ (Nürmberger, EB Band 50/2004). Die unteren beiden Geschosse wurden mit dicken Sandstein-Quadern ausgeführt. Im Erdgeschoss sind die Sandstein-Mauern 1 m dick! Die Geschosse darüber wurden als Fachwerk ausgeführt, im 3. Geschoss noch „dick ausgemauert“, und darüber offenbar nur noch kaum verkleidet, so dass jahrelang Wind und Wetter ungehindert Zutritt hatten. Erst im Juli 1709 wurde der Wasserturm oben von außen mit Brettern verkleidet, auf die Ziegel aufgebracht wurden, die mit schwarzem Kalk verputzt und angestrichen wurden. Auch ein neues Dach mit einer welschen Haube hat der Wasserturm 1709 erhalten. Dass die Balkenkonstruktion und die Wasserbehälter wohl doch besser vor Wind und Wetter geschützt werden sollten, erkannte man offenbar schon nach wenigen Jahren.

Jedenfalls war in den oberen Stockwerken Platz für 5 Wasserbehälter vorgesehen. Im obersten 6. Stock „befand sich ein mit Holz eingefasster Kessel aus Kupfer mit einem Fassungsvermögen von 200 Eimern, sowie im fünften und vierten Stock je zwei eicherne Kufen, beide 160 Eymer Wasser haltend.“ (Nürmberger, EB Band 50/2004). Das sind nur 3 der 5 geplanten Wasserbehälter. Ich bin nicht sicher, wie viel Wasser ein Eymer damals bedeutete. Wikipiedia definiert für Bayern 64 Liter. Bei 200 und zweimal 160 Eymern Fassungsvermögen wären das gut 33.000 Liter Wasser, oder 33 Tonnen Gewicht, für dass der Turm oben ausgelegt sein müsste – bei nur 3 statt der 5 geplanten Wasserbehälter.

Erlangen_Schloss_nach_1713 von Anonym [Public domain], via Wikimedia Commons CC 0

Das ist ein idealisiertes Bild, wie Bilder damals vielfältig „geschönt“ wurden. Rechts ist der Wasserturm zu sehen, wie ein schön gestalteter Kirchturm. Wie er wirklich aussah, siehe weiter unten. Und auch die Schlossanlage ist bis heute nicht in dem gezeichneten Zustand.

3 statt 5 Wasserbehälter werden schon bald zum Problem

Offenbar, weil man Platz lassen wollte für die noch fehlenden Behälter, wurde der Turm einseitig belastet. Der neigt sich jedenfalls gefährlich in Richtung der angrenzenden Häuser, so dass die Anwohner schon 1722 den Einsturz des Wasserturms befürchteten und um Untersuchungen von Bausachverständigen baten. Die kamen noch im gleichen Jahr aus Bayreuth und stellten verfaulte Tragbalken fest. Dem Einsturz des Turms könne man nur noch durch Abriss entkommen.

Die Wasserbehälter waren offenbar nie richtig dicht zu bekommen, irgendwo lief immer Wasser aus. Die Turm-Außenverkleidung war wohl auch nicht so richtig regendicht. Die ständige Feuchtigkeit hielt die tragende Holzkonstruktion einfach nicht aus. Die Einsturz-Befürchtungen der Anwohner waren sehr berechtigt. Sie befürchteten zudem eine Brandgefahr des außen nur mit Holz verleideten Turms bei Funkenflug aus dem Wasserturm-Schornstein. Schließlich hatte der damalige Brunnenwärter Dörffelt im Erdgeschoß eine Schmelzkammer mit Schmelzofen zum Umgießen des Bleis. (Die Wasserrohre waren damals aus Blei.)

 

1722: Turm-Abriss und Neubau waren der Kammer in Bayreuth zu teuer

Nürnberger Sachverständige sahen das nicht ganz so tragisch, sie meinten nach einem Protokoll vom 29 Juni 1722, dass die Last im Turm gleichmäßig verteilt werden könne, eine Schieflage wohl auch durch Ungenauigkeiten beim Bau schon von Anfang an bestand, und die von den Anwohnern befürchtete Brandgefahr durch das Anstreichen der Holzverkleidung mit „Steinfarbe“ lösbar sei, so dass man nicht sehen könne, ob der Turm aus Holz oder Stein sei.

Diesen Vorschlag nahm die Kammer in Bayreuth am 8. Juli 1722 an, die Ausbesserung solle mit „geschmeidigen“ Kosten erfolgen. Allerdings habe die Kasse derzeit kein Geld, weil sie allzu tief in Schulden stecke, und nicht einmal ihre Beamten bezahlen könne. Erst am 21. April 1723 ordnete die Kammer in Bayreuth die Reparatur dann an. Die beauftragten Handwerker fingen aber nicht an. Der Grund: Auch sie warteten noch auf die Bezahlung von erbrachten Leistungen, so dass sie hier nur gegen Bargeld beginnen würden. Die Arbeiten begannen dann doch im Mai 1723, und stellten sich noch schwieriger als geplant heraus: Es waren noch mehr Balken durchgefault.

 

1734: Schon wieder Einsturzgefahr

Die immer noch undichten Wasserbehälter setzten auch den erneuerten Tragbalken zu. Wieder war kein Geld in der Kasse. 1738 gab es ein Verbot in der Gegend des Wasserturms mit schweren Steinfuhren oder anderen schweren Lasten zu fahren, da die Erschütterungen dem Gebäude großen Schaden zufügen könnten. Auch 1740 fehlte das Geld in der Kasse. Der Konsumtionseinnehmer Adam Pemsel, schrieb am 7. Mai nach Bayreuth, dass die Handwerksleute nicht mehr arbeiten wollten, weil sie seit 2 Jahren auf ihre Bezahlung warteten. Darauf befahl Markgraf Friedrich dem Adam Pensel er möge „unserm gnädigsten Befehl (zur Zahlung) ein schleunigst unterthänigstes Genügen leisten und weiteres Behelligen abwenden.“ So einfach machten es sich die Machthaber damals.

Offenbar geschah dann aber nichts. Jedenfalls schrieben die besorgten Anwohner 1744 dem Markgrafen Friedrich ihre Sorgen um den Einsturz des Turms. Das löste dann erneute Reparaturen mit viel Material aus.

 

1761: Die Wasserversorgung im Schlossgarten bricht zusammen

Nicht nur der baufällige Turm, auch die Wasserleitungen funktionieren nicht mehr. Man erwägt, die bleiernen Wasserleitungen auszugraben, einzuschmelzen und neue Rohre draus zu machen. Das passierte dann auch 1763 in Nürnberg. Die fertigen Rohre blieben dort aber bis 1766 liegen, weil mal wieder die Bezahlung ausblieb.

 

1762: Das Druckwerk bei der Thalermühle musste überholt werden

Ein Wasserrad an der Thalermühle trieb das „Druckwerk“ an, dass das Wasser durch die Bleirohre bis zur Wasserturmstraße und den Turm hinauf beförderte. Das Druckwerk hatte 3 Kolben, die das Wasser durch sog. Stiefel aus Messing in die Wasserleitung drückten. Eine alte Erklärung zur Wasserkunst und zu Druckwerken findet sich im Auszug aus den Anfangs-Gründen aller Mathematischen Wissenschaften, zu Bequemerem Gebrauche Der Anfänger auf Begehren verfertigt von Christian Freyherrn von Wolff von 1772  (6. Aufgabe).

Das Druckwerk an der Thalermühle ist im Sonderdruck der Erlanger Bausteine Band 50 /2004 zu finden:

Druckwerk Thalermühle aus Nürmberger EB Band 50/2004, S. 57

1775: Schwere Wasserturm-Reparaturen

Leider musste auch der Wasserturm wieder repariert werden: Die Kuppel auf dem Dach war undicht und die oberen beiden Wasserkufen waren am Ende und mussten erneuert werden. Zudem ging der Turm 1779 oben auseinander, so dass die Gefahr bestand, dass das Dach mit der Kuppel in den Turm fallen würde. Erst 1781 begannen dann die Reparaturarbeiten.

 

So ging die Reparatur-Geschichte des Turms offenbar immer weiter – bis 1876

Da wurde der Turm wurde oben abgerissen. Nur die unteren drei Stockwerke blieben stehen. Keine Wasserbehälter – kein Wasserturm mehr, nur noch Wohnung für den Brunnenmeister Denhöfer und inzwischen auch Karzer der Universität für hauptsächlich zu bestrafende Studenten. (Dazu später mehr auf diesem Blog). Dieser Turm-Stumpf prägt auch das heutige Aussehen des Wasserturms. Er war mal doppelt so hoch! Ein Schmuckstück war er aber nie, wie dieses Foto vor dem Abriss der oberen Stockwerke zeigt:

Erlangen Wasserturm 1874 von Anonym [Public domain], via Wikimedia Commons CC 0

Wasserleitung von Thalermühle zum Wasserturm zum Schlossgarten

Bleirohre mit 2 ½ Zoll Durchmesser waren es in der Anfangszeit, die unterirdisch verlegt wurden. Dafür wurden 700 Zentner Blei angeschafft! Den genauen Trassenverlauf habe ich nirgends gefunden, aber auf gerader Linie wären es etwa ziemlich genau 500 m von der Thalermühle bis zum Wasserturm. Noch einmal 500 m kann man für die Wasserleitung vom Wasserturm bis zum hinteren Ende des Schlossgartens rechnen. Dort wurde ja nicht nur der Hugenottenbrunnen angeschlossen, sondern mehrere Wasserspiele und auch die Orangerie.

Bild: Open Street Map mit möglichem Wasserleitungsverlauf

 

Offenbar gab es Dichtheitsprobleme mit den weichen Bleirohren in der Erde. Insbesondere die Lötstellen schienen damals unter Einwirkung der Bodenfeuchtigkeit kritisch, wie Karl Wilhelm Gottlob Kastner hier 1830 auf Seite 416 beschrieb. Alle 4 bis 5 Jahre musste nachgelötet werden. Ein damals sicher nicht einfaches Unterfangen, kleine Lötkolben dafür gab es nicht. Aus alten Unterlagen geht hervor, dass Kohle fürs Löten beschafft werden musste.

Wenn alles gut lief, dann konnten in 24 Stunden 1000 Eymer Wasser in den Wasserturm zum weiteren Verbrauch gepumpt werden, also 64.000 Liter in 24 Stunden (wenn man für einen Eymer 64 l annimmt).

Da die Bleirohre so anfällig waren, versuchte man es auch mit gusseisernen Rohren. Die entluden aber mit der Zeit deutlich sichtbar gelbliches Wasser, was ganz offensichtlich störte. Die giftigen Beimengungen aus dem Bleirohren konnte man nicht sehen und bemerkte sie wohl auch nicht.

 

Das Konkurrenz-Wasserwerk wurde schon 1870 eingeweiht

Weil auch das Krankenhaus am Ende des Schlossgartens immer mehr frisches Wasser brauchte, und der Gesamtverbrauch zunahm, entschied sich die Krankenaus-Direktion ein eigenes Dampfkraft-Wasserwerk mit einer Leistung von 2 PS zu bauen. Das wurde auf dem Gelände des Krankenhauses am 1. Februar 1870 in Betrieb genommen, mit einer Förderleistung von 100 Eymern je Stunde. Daran ließen sich auch gleich alle Universitätsinstitute anschließen, in der Hoffnung nun eine kontinuierliche und saubere Wasserversorgung zu bekommen.

 

Die Versorgung der Springbrunnen im Schloßgarten war teuer – aber auch lehrreich

Hätte man vor gut 300 Jahren gewusst, welche Kosten und Probleme mit dieser Wasserversorgung zunächst fürs Vergnügen des Markgrafen entstehen werden, dann wäre der Wasserturm, die Thalermühle und die Wasserleitung wohl nie gebaut worden. Wir hätten damit aber auch keine Erfahrungen mit fließendem Wasser an jedem beliebigen Punkt gewonnen. Das unsere Wasserversorung heute so problemlos funktioniert, haben wir diesen Pionieren, den Brunnenmeistern, den „Wasserkünstlern“ und den damaligen Geldgebern zu verdanken.

 

 

Die meisten Informationen dieses Artikels wurden aus dem Sonderdruck der Erlanger Bausteine zur Fränkischen Heimatforschung Band 50/2004 entnommen: Bernd Nürmberger „Der markgräfliche Wasserturm und die Wasserversorgung des Schlossgartens“.

Auf den 96 Seiten gibt es noch viel mehr interessante Informationen, einschließlich der Hinweise zu den Quellen.

 

2 Gedanken zu „1705 in Erlangen: Ein Wasserturm entsteht für Wasserspiele im Schloßgarten“

  1. Hallo Herr Karlheinz Pape,

    ich bin ein Mitglied vom Atelierhaus Thalermühle e.V. in Erlangen und habe die Aufgabe für eine Kunstausstellung unseres Atelierhauses in der Stadtsparkasse historische Bilder zu suchen.
    Wir möchten nämlich erst im Eingangsbereich aufzeigen, was die Thalermühle mal früher für ein Funktion hatte und was wir heute als Künstler daraus gemacht haben.

    Das historische Bild vom Erlangen Schloss nach 1713 wäre ideal, um eben aufzuzeigen, dass die Thalermühle mal Wasserwerk für den Schlossbrunnen war.

    Jetzt ist meine Anfrage inwiefern wir Ihr Bild vom Blog für die Kunstausstellung benutzen können, bzw. mit welchem Vermerk (Namensnennung oder Anonym Wikipedia).

    Vielen Dank für eine Rückmeldung.

    P.S. Sie sind natürlich herzlich eingeladen bei der Eröffnung am 9. Okt. in der STadtsparkasse dabei zu sein, wenn die gemalten Bilder der Künstler ausgestellt werden. Am SA, den 13. Okt. ist dann der 2. Tag der offenen Tür im Atelierhaus Thalermühle.

    LG
    Matthias Walter

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