add-e Next: Mein Liegerad wird zeitweise zum Pedelec

Bild: KhPape CC BY, Liegerad Tanaro

Eigentlich brauche ich gar keine Motor-Unterstützung für mein Tanaro-Liegerad. Es rollt leicht, schnell und angenehm, solange es eben bleibt. Nur am Berg geht es langsam und gemütlich dahin. Das bedeutet leider auch, dass ich bergauf mehr Platz auf der Straße brauche, weil das Balance-Halten ja beim Liegerad nur übers Lenken, und nicht durchs Gewicht-Verlagern geht. Ich hoffe immer, dass mir überholende Autos diesen Platz auch lassen. Wenn ich bergauf etwas schneller sein könnte, wäre der Geradeauslauf wieder perfekt, und mein Sicherheitsgefühl beruhigend.

Nur aus diesem Grund habe ich nach einer nachträglich montierbaren Motorunterstützung gesucht – und mit dem add-e Next auch gefunden. Zwei Kilogramm schwerer ist mein Rad damit jetzt. Der Akku steckt ganz unscheinbar in einem Trinkflaschenhalter und der kleine Motor hängt unten vor dem Hinterrad, wo sonst der Seitenständer angeschraubt wird. Dieser “Rückenwind” läßt sich in 5 Stufen von 50 bis 250 W Leistung zuschalten. Und nur dann schwingt der Motor durch sein eigenes Anschalt-Drehmoment hoch ans Rad und klemmt seine Reibrolle fest ans Hinterrad. Sonst hängt der Motor ohne Rad-Berührung einfach unten. Dann fährt man wie immer, nur mit den kaum spürbaren Mehr-Gewicht.

Bild: KhPape CC BY, Antriebsmotor add-e Next

Anbau von Akku und Motor

Genial einfach – trotz meines ungewöhnlichen Rades. Der mitgelieferte Flaschenhalter ließ sich ganz einfach gegen den vorhandenen austauschen. Und die Montage des Reibrollen-Motors ist wirklich gut beschrieben, auch mit zusätzlichen Youtube-Anleitungen in deutscher Sprache. Ich mußte nur für eine geringe Neigung des Halters sorgen, weil mein Rad eine ungewöhnliche Geometrie hat. Aber das klappte alles auf Anhieb. Um alle Vorschriften für Pedelecs einzuhalten, braucht so ein Antrieb mindestens zwei Sensoren: Einen der das Pedalieren erkennt (nur dann darf der Motor unterstützen) und einen, der die Geschwindigkeit erkennt (ohne Nummerschild darf nur bis zu 25 km/h unterstützt werden). Beim add-e Next wird dazu ein Sensor an der Tretkurbel befestigt, und ein weiterer an der Hinterrad-Nabe. Beide Sensoren senden nur bei Bewegung ein Bluetooth-Signal an die Steuereinheit am Motor, so dass keinerlei Kabel verlegt werden müssen.

So einfach hatte ich mir das gar nicht vorgestellt. Problemlose Montage, kein Kalibrieren, nur ein kurzes Registrieren der BlueTooth-Sensoren an der Steuereinheit und schon konnte ich losfahren.

Übrigens schon die Verpackung wirkt sehr hochwertig. Sie hätte auch von Apple kommen können: Weiße Papp-Schachtel mit Magnetverschluß!

Bild: KhPape CC BY

Meine Erfahrungen nach den ersten 200 km mit add-e Next

Wow – auch die langen Anstiege in der Fränkischen Schweiz sind jetzt gut zu nehmen. Da nimmt man natürlich die höchste Stufe mit 250 W Leistung. Ich fahre damit doppelt so schnell den Berg hinauf, wie ohne Motor, wenn ich kräftig mittrete. Auf der Ebene brauche ich die Unterstützung wirklich nicht. Die läßt sich auch ganz einfach abschalten durch Drehen des Akku-Kopfes, der gleichzeitig den Stufenschalter darstellt. Neulich gab es heftigen Gegenwind. Mit 50 W, also der untersten Stufe (die in 50 W-Schritten bis 250 W Leistung gewählt werden kann) war der Gegenwind kompensiert. Ich fuhr genauso schnell wie vorher.

Akku

Er sieht tatsächlich wie eine Trinkflasche aus. So gut getarnt kommt der Akku daher.

Bild: KhPape CC BY

Mein 200 Wh Akku soll für etwa 60 km Unterstützung reichen. Das habe ich noch nicht ausprobiert, weil ich ja nie die ganze Strecke mit Motor-Unterstützung fahre. Es scheint mir aber realistisch – in den unteren Stufen.

Ein Wermutstropfen gibt es aber: Auch in Stufe 0 versorgt der Akku das Steuergerät mit Strom, vermutlich um für Befehle vom optionalen Lenkerschalter (auch mit Bluetooth-Verbindung) empfangsbereit zu sein. Der Ruhestrom liegt aber bei 80 mA, wie der Erfinder mit Forumsnamen “Drehfeld” selber angibt. Das sind 1,8 Watt Ruheleistung. Mein 200 Wh-Akku war nach knapp 5 Tagen Stillstand vollkommen entladen. Ich habe mir angewöhnt, den Akku bei Nichtgebrauch etwas aus der Halterung zu ziehen, so dass die Kontakte unten nicht mehr berührt werden (der Akku klemmt ganz gut im Halter). Vielleicht wird der Ruhestrom ja bei einem der nächsten Updates noch verringert.

Motorgeräusche?

Nur das Hochschnellen des Motors zeigt mir mit einem leichten Stoß an, dass der Motor jetzt mitwirkt. Laufgeräusche kann ich auf meinem Sitz direkt über dem Motor gar nicht wahrnehmen. Hochachtung, das scheint mir eine ganz besondere Konstruktionsleistung dieses Antriebes zu sein. Der Motor ist ja in keiner Weise gekapselt. Man kann sogar die Motor-Wicklungen von der Seite sehen, was sicher für den Wärme-Abtransport gut ist.

Noch etwas fiel mir auf

Die mögliche Motorunterstützung hat einen ähnlichen persönlichen “Radius-Erweitungseffekt” wie die Handy-Navigation auf dem Rad damals: Ich traute mich öfter in unbekanntes Gebiet, weil mich mein Navi ja in jedem Fall wieder auf einem guten Weg zurückbringt. Mit der einschaltbaren Motorunterstützung ist das ganz ähnlich: Das Ziel darf jetzt ruhig weiter sein, notfalls lasse ich mich auf dem Rückweg mit Elektrokraft unterstützen.

Verhältnis menschliche Leistung und Motorleistung

Ich gehe von etwa 150 W aus, die ich als Fahrer als Leistung an die Pedale geben kann. (Hier ein paar Berechnungen dazu.) Da machen sich 50 W natürlich schon deutlich bemerkbar. In der dritten Stufe (150 W) bekomme ich ja nochmal so viel Leistung vom Motor, wie ich selbst aufbringe. Das müsste ja rechnerisch schon für alle Situationen genügen. Die 250 W sind also die Reserve für den Berg, bei dem man ja nie genug Leistung haben kann. Zu den angegebenen add-e Next Leistungsstufen muss man fairerweise hinzufügen, dass es sich dabei wahrscheinlich um Leistungsangaben im optimalen Bereich handelt: Ein Elektromotor hat ja eine drehzahlabhängige Leistungskurve.

Fazit

Die 1000 € für den add-e Next sind eine lohnende Investition. Zumal man den Motor und Akku an jedem anderen Rad wiederverwenden kann. Wer sich ein zweites Montageset bestellt, kann Akku und Motor auch einfach ans Zweit-Rad stecken. Mich hat übrigens die (ellenlange, aber interessante) Diskussion in diesem Forum überzeugt: Dort reagiert der Erfinder – mit dem Forums-Namen „Drehfeld“ – sehr angenehm auf alle konstruktiven Beiträge der vielen Nutzer. Die neueste Version “Add-e Next” hat schon zwei Vorgänger-Versionen, auf deren Erfahrung das österreichische Entwickler-Team aufbauen konnte.

7 Gedanken zu „add-e Next: Mein Liegerad wird zeitweise zum Pedelec“

  1. Hallo Karlheinz, vielen Dank für deinen tollen Bericht. Ich habe eine Frage zur Montage am Liegerad. Die Kurbeln befinden sich ja hier nicht wie beim normalen Fahrrad im Bereich der Antriebseinheit. Wie funktioniert dann der PAS Sensor? Für mich sieht es so aus, als müßte der Sensor an der Kurbel in der Nähe der Antriebseinheit sein und daran vorbei rotieren um zu funktionieren.
    Grüßle, Roland

    1. Beim add-e Next sind beide Sensoren (der an der Tretkubel und der an der Hinterrad-Nabe) über Bluetooth mit der Antriebseinheit verbunden. Der Bewegungssensor an der Tretkurbel überträgt sein Signal also ohne Kabel an die Antriebseinheit, auch über größere Entfernungen.
      Vorteil: Keine Verkabelung nötig.
      Nachteil: Mindestens einmal im Jahr muss man die Batterie in den Sensoren austauschen. Das hängt davon ab, wie viel man fährt. Ich muss die zweimal im Jahr tauschen. Immer, wenn der Antrieb sich nicht mehr anschaltet, ist der Batteriewechsel nötig. Das geht aber recht schnell.

      1. OK, dann das ist ja prima. Ich dachte der drahtlose Sensor an der Tretkurbel funktioniert ähnlich wie die bekannten magnetischen Tacho Sensoren an Gabel und Speiche, wo der Magnet an der Speiche bei jeder Radumdrehung ganz nahe an dem Sensor an der Gabel vorbei rotieren muss. Da scheint dieser Bluetooth Sensor an der Tretkurbel seine Rotation nach einem anderen Prinzip wohl eigenständig zu erkennen. Oder muss analog zum Tachosensor auch in der Nähe der Kurbel am Fahrradrahmen ein Magnet oder ähnliches befestigt werden?

  2. Ich bin genauso begeistert von diesem Antriebssystem. Auch bei meinem Tanaro, das ich seit 25 Jahren immer noch mit Freude fahre, war der Selbsteinbau problemlos. Mein Fahrradhändler vor Ort hatte mich gut beraten, lieferte sehr schnell und hätte den Einbau auch vorgenommen.

  3. Sieht gut aus und hört sich gut an. Durchaus eine Variante zu dem von mir des öfteren verbautem Nabenmotor.
    Der TANARO Konstrukteur

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